Sprechen wir erst einmal über das Thema Zeitungen. Damit ist man schnell durch, der Markt ist recht übersichtlich. Die drei bedeutsamsten Blätter sind die »The Straits Times« [1] (klarer Marktführer mit 1.3 Mio Lesern), das kostenlose »Today« [2] (vergleichbar zu »20 Minuten« und komplett online lesbar im PDF-Format) und »The New Paper« [3] (geht eher in Richtung »Blick«), wobei alle drei komplett in englischer Sprache erscheinen. Daneben gibt es weitere Zeitungen in anderen Sprachen (v.a. Chinesisch), die z.T. aber weniger gelesen werden, zumindest von mir (mit »Today« mithalten kann von der Leserzahl her »Lianhe Zaobao«). »Today« legt mir die Maid jeden Tag in die Wohnung und gibt eine nette Feierabendlektüre ab, die »Straits Times« gönne ich mir nur am Wochenende. Bei dieser ist vor allem der für den bescheidenen Preis von gerade mal 80 Singapur-Cents (65 Rappen) gebotene Umfang erstaunlich. Am Wochenende ist das eine grosse, dicke, schwere Schwarte, gegen die die auch nicht eben dünne oder kleine »ZEIT« wie ein mickriges Werbeblättchen aussieht. Das wirft gelegentlich Transportprobleme auf, denn falten, das muss man fast nicht versuchen … dafür kann man auch bedeutend grösseres Ungeziefer als nur Fliegen damit erschlagen. Ein gehöriger Teil der Masse geht allerdings auf das Konto eines extrem umfangreichen Klein- und Stellenanzeigenteils, den ich normalerweise flott entsorge. – Was Magazine angeht, gibt es eine breite, internationale Auswahl – geht man zu einem grösseren Kiosk im Geschäftsviertel oder einem grossen Buchladen wie Borders [4], kann man ohne weiteres englische Automagazine, australische Hifi-Zeitschriften oder auch den »SPIEGEL« kaufen, Borders führt ihn. Das alles ist dann mehr eine Frage des Preises. Apropos Preis, die »ZEIT« bei Borders: S$14! Schade, wenn (wie in der vorherigen Wohnung geschehen) die Putzfrau die Zeitung fälschlich für gelesen hält und ohne zu fragen entsorgt.
Beim Fernsehen hängt das Angebot an Kanälen stark davon ab, ob man via Antenne, Kabel oder neuerdings Telefonleitung empfängt. Über die Antenne bekommt man nur eine Handvoll Sender der MediaCorp [5], über den Kabelanbieter StarHub [6] (vgl. Cablecom) oder das neue Angebot der SingTel, »mio TV« [7] (vgl. Bluewin TV) potentiell mehr als hundert Kanäle, darunter die exotischsten, die man sich nur vorstellen kann. Den Luxus eines Kabelanschlusses hatte ich leider nur in der ersten Wohnung, in der jetzigen muss ich mit der Antenne und dem Staatsfernsehen auskommen. Was nicht heisst, dass das Fernsehen in Singapur langweilig sein muss (aber es kann). Zur Verfügung stehen mir lediglich Channel NewsAsia, ein Nachrichtensender, darüber hinaus die Kanäle 5 und 8 (gemischtes Programm, oft zumindest mit englischen Untertiteln), U (rein chinesischer Anteil höher) sowie Vasantham (für den indischen Teil der Bevölkerung, hier wird überwiegend gehüpft, gesungen, getanzt und sich hinter Bäumen versteckt). Filme gibt es nicht so sehr oft, aber dafür gibt es ja DVDs. Ansonsten stellt man erst einmal fest, dass man auch 12'000 km von zuhause gewissen globalen Fernsehphänomenen nicht entkommt: »Star Search« (und mehrere verwandte Talent-Shows), das gibt es alles auch in Singapur, was für eine Plage. Ah, und »Deal Or No Deal« gibt es auch. Und Talkshows. Wobei letztere deutlich poppiger und bunter daherkommen und ziemlich dadurch gewinnen, dass man niemanden der (Chinesisch plappernden) Gäste versteht (und ständig irgendwelche chinesische Zeichen eingeblendet werden, dick und farbig, wie das »Arrgh« und »Oomph« in Marvel-Comics). Mindestens anfänglich kann das sehr spassig sein, aber es verliert dann doch irgendwann seinen Reiz.
The Best. Sehr lustig sind diverse Spass- und Spielshows, deren Sinn sich zwar nicht immer erschliesst, aber das stört nicht. Da konnte ich schon Dinge bestaunen wie einen Chinesen, der Bowling-Kugeln (!) aufeinanderstapelte (und erst bei acht war Schluss), oder einen anderen, der es schaffte, mit einem gut 1.80m hohen Kühlschrank auf dem Kopf Fahrrad zu fahren. Mein Favorit unter den Spielshows war immer »Code Red« bzw. »爱上小红点« [8] auf Channel 8, am Dienstagabend (leider gibt es seit einiger Zeit keine neuen Folgen mehr). Eine Art Schnitzeljagd quer über die Insel, mit Teams aus Freiwilligen in roten Shirts. Man kann das nicht beschreiben, einfach zum schieflachen. Super ist auch der »Jingle« der Show, verfügbar als MP3, man klicke auf Link [9]. – Mit den meisten Soaps und Comedies kann man als Europäer wenig anfangen, zumal nur bei einer Minderheit englische Untertitel oder Sprache geboten werden. Halbwegs amüsant ist die Sitcom »My Sassy Neighbour« [10], die zwar ansonsten nicht eben ein Meisterwerk ist, aber viel Singapurianisches Lokalkolorit und authentisches »Singlish« (die lokale Variante von Englisch) bietet. – Beim ernsteren Programm habe ich vor allem »Prime Time Morning« am Morgen auf Channel NewsAsia schätzen gelernt, das aber leider kein echter Ersatz ist für das Morgenfernsehen von ARD und ZDF. Faszinierend finde ich dabei die Moderatorin Suzanne Jung [11], die mit ihrer makellosen Schönheit aus einem Manga-Comic entschlüpft zu sein scheint. – Ein (letzter) Favorit von mir ist darüber hinaus »The Rise Of The Great Nations« bzw. »大国崛起«, eine interessante Sendereihe über europäische Geschichte auf Channel U, aus chinesischer Perspektive und zum Glück mit englischen Untertiteln.
The Worst. Wer auf richtig ätzende Historienschinken steht, dem sei »The Qing Dynasty« empfohlen. Nicht enden wollende Intrigen, strategische Vermählungen, Meuchelmorde, kriegerische Listen; jede Menge ernste Gesichter, bedeutungsschwangere Reden, komische Frisuren und historische Kostüme, meistens in anonymen Palasträumen, und ganz selten reitet mal jemand durch einen Wald. Jede Episode dieser Serie läuft über zwei Stunden, aber die 267-jährige Geschichte der Qing-Dynastie [12] ist eben nicht schnell erzählt. – Ein sicherer Garant für extreme Langeweile ist »Japan Hour« auf Channel NewsAsia, mein persönlicher TV-Alptraum (und die Sendung wird über die Woche verteilt mehrfach wiederholt). Hier wird der Zuschauer Zeuge, wie wechselnde japanische ehemalige Halb-Promis in entlegene Gegenden Japans reisen und abwechselnd in Schlamm-, Algen- und Solebädern dortiger Spas sitzen oder begleitet von wohligen »Ahhh«- und »Ohhh«-Rufen ekelhafte Dinge essen. Und das eine ganze Stunde lang! Ein Wahnsinn. Wem aber die japanischen Spezialitäten, die da verzehrt werden, nicht widerlich genug sind, für den gibt es auf demselben Sender noch eine Steigerung, die Sendung »Dynamic Korea«. Wer jemals die Idee hatte, selbst nach Korea zu reisen, dem wird es im Zuge dieser Sendung schnell wieder vergehen. Das Prinzip der Show ist nicht unähnlich dem von »Japan Hour« (nur ohne die Bäder), in diesem Fall bereist ein Moderator diverse Gegenden Koreas und zeigt zum Beispiel, wie koreanische Bauern nach einem grossen Regen zuckende, glibberige Kreaturen (Fische? Schlangen?) aus schlammigen Pfützen und Rinnsalen ihrer Felder puhlen und noch direkt auf dem Acker in einen brodelnden Topf werfen. »Ahhh« und »Ohhh« beim Verschlingen der Speise, vor Genuss verdrehte Augen und so weiter. Schlimm!
Und jetzt: die Werbung. Immer wieder spannend, kommt sie doch ein gutes Stück witziger daher, als man das vielleicht gewöhnt ist. Und nein, ich rede nicht von den albernen singenden Bonbon-Packungen der chinesischen Ricola-Spots. Einige Favoriten von mir kann man auf YouTube bestaunen, siehe Links [13] bis [16]. Viel Spass!
Update, 2007-11-07: Heute gelesen in »Today« – mein persönlicher TV-Horror »Japan Hour« läuft bereits seit 15 Jahren (oh nein!!) und zählt noch immer zu den Top 10 der meistgesehenen Serien auf Channel NewsAsia. Und ist damit so erfolgreich, dass man jetzt auch die internationale Ausstrahlung angeht. Bald gibt es kein Erbarmen mehr, vielleicht sogar in Europa!
[1]
http://www.straitstimes.com/
[2]
http://www.todayonline.com/
[3]
http://tnp.sg/
[4]
http://www.borders.com.sg/
[5]
http://www.mediacorp.sg/
[6]
http://www.starhub.com/
[7]
http://mio.singtel.com/miotv/
[8]
http://ch8.mediacorptv.com/around8/announcements/view/894/1/.htm...
[9]
http://www.mediacorptv.com/videos/codered/10.mp3
[10]
http://ch5.mediacorptv.com/shows/sitcom/view/1545/1/.html
[11]
http://www.channelnewsasia.com/ptm/presenters.htm
[12]
http://en.wikipedia.org/wiki/Qing_Dynasty
[13]
http://www.youtube.com/watch?v=T-meQvDKCzo
[14]
http://www.youtube.com/watch?v=N5V_Yn-yFA8
[15]
http://www.youtube.com/watch?v=L8-Wc2uptig
[16]
http://www.youtube.com/watch?v=6k0hjt6vlJc
Letters from Singapore (7): Zeitungen und Fernsehen
Sonntag, 2007-10-28


