Über das Leben als Fussgänger muss ich ja nicht mehr viel erzählen. Das Problem: das Klima, und folglich die Unmöglichkeit, grössere Strecken unverschwitzt und mit heilem Kreislauf zurückzulegen. Die Routenplanung erfolgt am besten so, dass man regelmässig gekühlte Zwischenstops z.B. in Malls einlegen kann. Um mich dem für die stickige Hitze am besten geeigneten Schleichtempo anzugleichen, das hier die meisten Menschen an den Tag legen, dazu bin ich leider zu ungeduldig. – Erwähnenswert vielleicht noch, dass auf Gehsteigen ganz wie auf der Strasse überwiegend Linksverkehr herrscht, und dass konsequenterweise auch auf Rolltreppen links gestanden und rechts gegangen wird.
Wo es zum Laufen zu weit ist und sich die Nutzung des öffentlichen Nahverkehrs aus irgendwelchen Gründen nicht anbietet, da fährt man in Singapur Taxi. Und das tut die Bevölkerung so ziemlich immer und überall, auch die nicht ganz so wohlhabende, da im Gegensatz zu Zürich eine Taxifahrt nicht einen halben Monatslohn verschlingt, sondern je nach Strecke drei bis zehn Singapur-Dollar. Vorteile: die Taxis sind gekühlt, wenn auch zum Teil auf polare Temperaturen. Und: es fahren ca. 20'000 Stück davon herum, wie mir gesagt wurde, wenn auch für 4.5 Mio. Einwohner. Nachteile: nicht immer versteht der Fahrer den Gast, oder der Gast den Fahrer. Ah, und sobald auch nur ein einziger Regentropfen fällt, sind zuverlässig alle 20'000 Taxis besetzt, und das spontane Anhalten eines Fahrzeugs per Wink am Strassenrand (das übliche Verfahren), das kann man dann erfolglos versuchen, bis einem der Arm abfällt. Anrufen kann man aber auch, und die Bedienerführung ist hochmodern, halbautomatisch und (wenn ich mich recht erinnere) zweisprachig (Englisch/Chinesisch). Am Schluss des Gesprächs wird einem dann das Kennzeichen des zugeteilten Taxis durchgegeben, dass man nur ja nicht in's falsche steigt. Es muss ja seine Ordnung haben.
Kommen wir zu den öffentlichen Verkehrsmitteln. Gängig sind in Singapur vor allem Busse (dazu gleich) und der (ja, männlich) sogenannte MRT (Mass Rapid Transit) [1], eine Art S-/U-Bahn, die zwischen den Bahnhöfen in der Innenstadt unterirdisch, sonst oberirdisch fährt. Fantastisch: die Züge fahren zu Spitzenzeiten alle drei Minuten (oder noch öfter?), Warten kommt praktisch nicht vor. Dennoch sind die Züge oft sehr voll, aber auch im grössten Gedränge bleiben die Menschen gelassen und ausgesprochen höflich, es ist eine Freude. Die Orientierung ist recht leicht, die Beschriftung in den Stationen idiotensicher. Es gibt die rote North-South-, die grüne East-West- und die violette North-East-Linie, und in allen werden die Stationen mehr als deutlich durchgesagt (Beispiel: erste Ansage zu »Outram Park« auf der East-West-Linie). Grossartige Sache. Nur – wie läuft das mit den Tickets? In Singapur gibt es mit der »EZ-Link-Karte« [2] eine enorm praktische Erfindung, die einem alle Sorgen in Sachen Tarifzonen, Kurzstrecken, Zielcodes usw. usf. abnimmt, die man aus anderen Städten kennt. Einmal gekauft, kann die Karte an Automaten immer wieder aufgeladen werden. Auf dem Weg zum Bahnsteig geht man durch automatische Schranken, wo man kurz die Karte gegen eine Sensorfläche hält, und weiter geht es. Verlässt man den Zielbahnhof, geht man erneut duch eine Schranke, und es werden ebenso elegant der Fahrtpreis abgebucht und der neue Saldo der Karte angezeigt. Super. Da kann auch der planloseste Tourist nicht unabsichtlich schwarz fahren.
So einfach die Nutzung des MRT ist, so abschreckend kann zunächst das Busfahren erscheinen. Fangen wir mit den guten Seiten an, bevor wir zu den zahlreichen Schwierigkeiten kommen: auch in Bussen funktioniert die EZ-Link-Karte, und die Fahrten sind sehr günstig. Karte beim Einsteigen an den Sensor halten, ebenso beim Aussteigen – erledigt. Supereinfach. Leider ist alles andere am Busfahren schwierig: An manchen Haltestellen kommen bis zu zehn, zwölf Linien vorbei – von verschiedenen Anbietern. Verkehrsverbund? Pustekuchen. Bestenfalls gibt es einen Aushang mit den nächsten Stationen der Linien, eine Karte? Nö. An vielen Stationen ist der Infokasten aber auch einfach leer. Definierte Abfahrtszeiten? Wozu. Wenn er kommt, kommt er halt. Da kann man Geduld lernen. Und wenn er dann kommt, sollte irgendjemand an der Haltestelle den Arm heben und ein Zeichen geben, sonst fährt der Bus doch glatt vorbei. Im Bus: keine Karte, kein Plan, Streckenführung unbekannt. (Man kann natürlich gerne den Fahrer fragen, bevorzugt auf Chinesisch.) Haltestellen werden auch prinzipiell nicht angesagt. Und wenn es auf der einen Strassenseite eine Haltestelle gibt, muss es noch lange nicht auf der Gegenseite auf selber Höhe auch eine geben. Und bedingt durch die vielen Einbahnstrassen befahren einige Buslinien in der Gegenrichtung gleich eine ganz andere Strecke als in der Hinrichtung. Neulinge in der Stadt (oder Leute, die sich aus experimentellen Fahrten in's Ungewisse ein Sonntagsvergnügen machen) erkennt man daran, dass sie angestrengt durch die Fenster starren, um zu erahnen, ob es der rechte Zeitpunkt für den Druck auf die Stoptaste ist. Auch ich bin ein paarmal zu früh oder zu spät ausgestiegen und musste – laufen. Zu den Problemen des Laufens siehe oben. Weiss man erstmal, mit welcher Linie in welche Richtung, und kennt man die paar Spielregeln (einsteigen nur vorne!, aussteigen nur hinten!), dann ist aber auch das Busfahren eine halbwegs effiziente und unterhaltsame Sache. Ein buntes Völkchen ist da unterwegs … einfach schön. (Ein Nachtrag: Inzwischen habe ich feststellen können, dass es zumindest in Bussen des Betreibers SMRT Displays gibt, die, wenn sie denn korrekt funktionieren, den Namen der nächsten/aktuellen Station anzeigen. Eine starke Vereinfachung. Aber eben nur in SMRT-Bussen.)
Da mein Arbeitsweg mindestens ein Teilstück umfasst, das per Bus bewältigt werden muss, hatte ich zu Beginn meiner Arbeit in Singapur ein veritables Problem zu lösen – wie komme ich an's Ziel? Selbst mit dem spezialisierten Büchlein, das alle Buslinien dokumentiert (aber nie in Form einer Karte oder eines Liniennetzes!), einer sehr detaillierten Strassenkarte und einem normalen Stadtplan bedurfte es einer einstündigen Planungssitzung, um eine Theorie zu entwickeln, wie es gehen müsste. Aus dem Büchlein Stationsname und -code (z.B. »B15«) heraussuchen, wobei das Kürzel nicht der eindeutigen fünfstelligen Stationsnummer entspricht (es gibt einige »B15« auf der Karte), anhand des Stationsnamens die Strasse eruieren, diese finden, dort B15 suchen. So tastet man sich durch den Dschungel. Hilfe! Trotzdem hat gleich die erste Fahrt geklappt. Dass ich dann ein paar Tage später eine kürzere Verbindung gefunden habe: sportlicher Ehrgeiz.
[1]
http://www.smrt.com.sg/trains.html
[2]
http://www.ezlink.com.sg/index.html
Letters from Singapore (3): Fortbewegung und öffentliche Verkehrsmittel
Freitag, 2007-06-29


